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Wann isch genug genug und wann isch oans mehr als koans? (Tobias Moretti: "Wann ist genug genug?")

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Wann isch genug genug und wann isch oans mehr als koans?

Tobias Moretti "Wann ist genug genug?" Foto Tirol Werbungzoom
Tobias Moretti "Wann ist genug genug?" Foto Tirol Werbung

Bildunterschrift

Aktueller denn je:

Der Tiroler Schauspiel-Star Tobias Moretti hat sich zum 125-Jahr-Jubiläum der Tourismuswerbung in Tirol Gedanken gemacht und bei der Feier in Erl 2014 eine viel beachtete Rede über Tirol und den Tourismus gehalten.

"Wenn selbst ein Peter Habeler als eine der Bergsteiger-Persönlichkeiten des Jahrhunderts gemeint hat, dass er schlichtweg Angst hat, wenn er in unsere Zukunft schaut hier in Tirol, hat mich das sehr bewegt. Das hat sicher weniger damit zu tun, dass er ein ängstlicher Mensch wäre, sondern eher wohl damit, dass ein besonnener Mensch vielleicht eigentlicher in die Zukunft schaut.

Ich habe auch weder Angst vor der Google-Brille noch vor den Selfies noch vor sonstigen Innovationen. Nur wenn man, was die Brille betrifft, von Demokratisierung der Wahrnehmung spricht, dann weiß ich, dass die zukünftige Wahrnehmung sicher die von sich selbst ist und nicht die der Eindrücke dieses Landes.

Ich bin beeindruckt von der Gesamtleistung und von allem, was die Touristologie da so alles durchanalysiert hat, alles digital und technisch top aufgestellt, alles einbindet. Sie hat also den Schwung der Zeit mitgenommen. Kann nur sein, dass der Touristiker sich damit grad selber abschafft, weil es ihn nimmer braucht.

Es ehrt mich sehr, dass Joe Magreiter mich gebeten hat, zur 125-Jahr-Feier der Tourismuswerbung in Tirol im Festspielhaus Erl etwas zu sagen. Aber je mehr ich darüber nachdedacht habe, umso weniger fiel mir ein. Denn dazu ist der Tourismus mittlerweile ein zu komplexes Fachgebiet mit eigenen Gesetzmäßigkeiten. Wozu ich eigentlich Lust gehabt hätte, wenn man das hier alles so hört und sieht, Qualitätstourismus, Hochglanz alles (und die Menschen hier bemühen sich ja wirklich sehr darum), wäre ein kleiner Dokumentarfilm à la Ulli Seidel gewesen: nur 15 Minuten, über lautere kreative Absichten – und das, was dann als Realität dabei herauskommt. Eine Gegenüberstellung.

Almhütten und Paläste

Ich bin kein Touristiker, ich kenne mich damit nicht aus, finde aber all diese Strategien auch überzeichnet: Destinationsmanagement, Innen-Marketing, Außen-Marketing oder all diese Wortungetüme wie Markenidentität, an sich schon ein abstruser Begriff. Ich sehe nur, dass die Panorama-Paläste auf den Gipfeln, in denen sich die Touristiker, die Gemeinderäte, die Bürgermeister und Architekten verewigen, leer sind und man in den kleineren gemütlichen Hütten nie einen Platz kriegt, weil alle hinwollen.

Ja, Markenidentität – was heißt denn das? Was ich kenne, ist „Identität“, also erst einmal ohne Marke: Identität als Prägung des Seins durch die Kultur, durch die Menschen, durch die Landschaft, die einen hervorgebracht haben. Diese Prägung ist für mich selbstverständlich, also nicht aus einer Konstruktion heraus, sondern sie ergibt sich von allein, aus der Lebenswirklichkeit, wie bei den meisten hier, die nicht nur im ländlichen Raum leben, sondern mit ihm leben – und auch von ihm leben.

Dass mich das Thema „Identität“ in diesem Zusammenhang nicht loslässt, hat ja auch damit zu tun, dass sich der Tourismus immer, auch in der modernen Vermarktung, auf das bäuerliche Umfeld und die bäuerliche Prägung beruft: starkes Land, starke Menschen, kantige Menschen, Eigenheiten. Aber gleichzeitig distanziert er sich in seiner Verspreizung und weicht diese Eigenheit wieder auf. Das kommt davon, wenn man Markenidentität mit Identität verwechselt.

Eigenheit erzeugt immer die Sehnsucht nach dem ganz Anderen. Und der Reiz des Reisens lag und liegt bis heute in der Begegnung mit der jeweiligen Eigenheit des Anderen, anderen Regionen, anderer Gegend, anderem Klima, anderen Kulturen – aber immer in der Authentizität des Anderen.

Zu Zeiten von Sepp Schlui­ferer im Jahr 1907 hatte das Tirolische noch seinen „exotischen“ Reiz, fern von Europa, für Preußen, Rheinländer und sonstige, und der einzelne Tiroler (damals noch nicht kollektiv im Verband auf Marketing programmiert) verstand es, diese Exotik in einer Art individuellem Marketing ökonomisch und für Eroberungen aller Art zu nutzen. Als „jottvoll ursprüngliche Menschen“ sind wir heute nicht mehr glaubwürdig zu vermarkten. Als wir vor 25 Jahren die Piefke-Saga gemacht haben, haben alle, die Touristen und die Tourismus-Arbeiter, sich damit identifiziert. Die Touristiker nicht: Die fühlten sich offiziell in ihrer Existenz so bedroht und so gefährdet, dass der Andreas Braun damals kurz vor seiner noch vorzeitigeren Abwahl stand.

Welcher Tourist sucht was? Es gibt ja kein einheitliches Bild mehr. Es gibt nach wie vor Gäste, die suchen hier etwas, was sie zuhause nicht haben: eine Kongruenz, eine Übereinstimmung zwischen der Lebenswelt – der Landschaft, der Kultur – und ihren Bewohnern. Diese Übereinstimmung ist nichts anderes als Authentizität.

Ein Diener seiner Herren

Zu diesem Traditionsmodell des Gastes kommen aber ganz andere Schichten: Die jungen „User“, die, obwohl sie sich nicht auskennen, auch im alpinen Bereich Anspruch ihre Gaudi haben wollen, alle Ressourcen gnadenlos ausnutzen, ohne Rücksicht auf Verluste und das gleich posten; und da setzen wir auch nichts dagegen, sondern warten erst einmal ab. Dann haben wir die Russen, die ihr Hauptinteresse auf die Exklusivität des Standorts legen. Gut ist nur, was teuer ist. Und die Versuchung angesichts dessen, was da im Lande bleibt, ist riesig. Und wir verbiegen uns bis in alle Windungen hinein. Mit einem Bein sind wir traditionell, mit dem anderen hip, mit dem dritten ein lächelnder Diener seiner Herren.

Es ist mir schon klar, dass sich der Tourismus hat verändern müssen, dass das Marketing sich vor der Kurzfristigkeit und dem rasanten Lebenstempo seiner Zielgruppen nicht verschließen kann: Heute entscheidet einer am Mittwoch, wo er am Freitag sein will, will dort aber gleich wieder weg, sobald die Selfies geschossen und gepostet sind. Ich kann und will die Flüchtigkeit, die Kurzlebigkeit und die Geschwindigkeit der neoliberalisierten Welt weder ignorieren noch sonst was, aber eines muss einem klar sein: Wenn man sich ihr immer unterordnet, ihr keinen Standpunkt entgegensetzt, ihr immer hinterherhinkt (immer noch was mitnehmend), dann wird unsere Identität, die gewachsene Lebenswelt aussterben. Und dann wird’s schwierig, den Friedhof zu vermarkten.

Nordkette überlebt Marke

Tirol ist ein starkes Land, mit hoffentlich noch mutigen und nicht zu biegsamen Menschen. Ein Land, das schon da war, ehe es als Marke definiert wurde. Und dieses Land wird es noch geben, wenn alle Werbekonzepte längst Geschichte sind. Es spricht zumindest geologisch einiges dafür, dass die Nordkette eine höhere erdgeschichtliche Lebenserwartung hat als die Markenstrategie.

Tourismus ist in unserem Lande zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor geworden. Und so wie unser gesamtes globalisiertes Wirtschaftssystem huldigt er dem Dogma grenzenlosen Wachstums: mehr an Nächtigungen, mehr an Aktivitäten etc.

In diesem Denkmuster aus dem 19. Jahrhundert, dass alles immer mehr werden muss, ist jeder von uns, ob er will oder nicht, immer noch verhaftet. Die meisten ziehen daraus auch ihre Existenzberechtigung, ihre Lebensleistung. Aber: Dieses Land, unsere Ressource, unser Lebensraum – wird nicht mehr. Wenn wir ihn dauerhaft erhalten wollen, und zwar auch als Wirtschaftsfaktor, müssen wir uns genau zwei Fragen stellen, die in diesem Muster nicht vorgesehen sind: Wann ist genug genug? Und: Wann ist oans mehr als koans?

 
 
 

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